Vor über 80 Jahren: Wiederaufnahme des Postverkehrs nach der Kapitulation am 8. Mai 1945

Nach der Kapitulation kam vorübergehend der Postverkehr zum Erliegen, wenn von den Ausnahmen in bereits besetzten Gebieten abgesehen wird. Unter Berufung auf das Gesetz Nr. 76 der alliierten Militärregierung wurde nach Besetzung deutscher Gebiete im allgemeinen jeglicher Postverkehr sofort eingestellt.

Die Postschalter wurden geschlossen, falls nicht bereits im Vorfeld erfolgt, die vorhandenen Postwertzeichen wurden ungültig und die vorhandenen Postsendungen beschlagnahmt. Diese be-schlagnahmten Postsendungen wurden später, manchmal erst nach Jahren zugestellt.

Diese werden durch die Reichspost als “alte Post” und bei Sammlern als “Überroller” bezeichnet, da sie im Dritten Reich aufgegeben, aber erst im Nachkriegsdeutschland zugestellt bzw. zurückgegeben werden konnten.

Ein sogenannter „Überroller“, abgestempelt am 13. März 1945. Firmenbrief aus Höcherberg-Mittelbexbach im Saarland nach Hamburg. Dieser Brief wurde in Offenbach geöffnet (amerikanische Zensurstelle), zensiert, mit einem amtlichen Verschlussstreifen wieder verschlossen und anschließend mit einem Zensurstempel versehen. Leider ist nicht bekannt, wann der Brief beim Empfänger zugestellt wurde. (Sammlung von Franz Peter Perschmann, Mitglied des VPS 1894)

 

Des Weiteren wurde auch der Fernmeldeverkehr gleichfalls sofort mit der Besatzung eingestellt, die Betriebseinrichtungen wurden unbrauchbar gemacht. Der dritte Betriebszweig der Reichspost, der Postscheck- und Postsparkassendienst wurde ebenfalls weitgehend eingestellt, obwohl dieser vom Betriebsverbot ausgenommen wurde. Daher hat dieser Betriebszweig oft als erster Dienst der Reichspost zumindest auf lokaler und regionaler Ebene wieder die Arbeit aufgenommen.
In der Zwischenzeit erfolgte die Postzustellung als sogenannte Landratspost, diese wurde ohne Beteiligung der Post auf privatem Wege befördert.

Mit der Wiederaufnahme des Postverkehrs gab es für eine Übergangszeit verschiedene Notmaß-nahmen, wie z. B.:


- keine Briefmarken vorhanden
- Handschriftliche Freivermerke “Gebühr bezahlt”
- Überfrankierungen beim Fehlen von Wertstufen
- Schwärzungen
- Überdruck von alten Briefmarken,
- Unkenntlichmachen von NS-Symbolen, um diese Marken trotzdem verwenden zu können.
- Briefumschläge fehlen
- mehrfache Verwendung von alten Briefumschlägen
- Stempel fehlen
- Handschriftliche Entwertung
- außer Kurs gesetzte Stempel, mit Unkenntlichmachung von NS-Symbolen

Die Herausgabe von neuen Briefmarken wurde unterschiedlich umgesetzt, am Anfang gab es noch lokale Ausgaben.

Die vollständige Wiederaufnahme des Postverkehrs mit allen Sendungsformen und in alle Zielgebiete ist stufenweise über einen längeren Zeitraum erfolgt. Dies hatte verschiedene Gründe.
Beispielswiese kam die erste deutsche Bahnpost, die nach der Kapitulation über die Landesgrenze hinausging - zwischen Frankfurt am Main und Venlo - erst ab 1. September 1948 zum Einsatz. Hierbei spielten sicherlich auch die Kriegsschäden an der Bahninfrastruktur eine Rolle.

Die Entwicklung des Postverkehrs verlief in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg teilweise sehr unterschiedlich. Die wichtigsten Unterschiede sollen in mehreren Beiträgen näher beleuchtet werden.

Wiederaufnahme des Postverkehrs in Schleswig-Holstein

Das Vorgehen der britischen Truppen war in Bezug auf die Besetzung von Schleswig-Holstein nicht einheitlich. Der Zeitpunkt der Einstellung des Postverkehrs variiert von Landkreis zu Landkreis, manchmal sogar von Ort zu Ort. Während z.B. in Neumünster noch bis zum 29. Mai 1945 auf örtlicher Ebene Postverkehr möglich war und sogar „Hitler-Briefmarken“ verkauft wurden, wurde im benachbarten Landkreis Plön der Postverkehr sofort mit der Besetzung eingestellt.

Kleinere Orte wurden nicht immer militärisch besetzt, wurden manchmal beim Vormarsch nicht durchquert und eine Militärverwaltung wurde nicht eingerichtet. So bestand die Möglichkeit, dass der Postverkehr nicht sofort eingestellt, sondern noch einige Zeit fortgeführt wurde, bis neue Anweisungen eingegangen sind. Auch die Quellenlage ist als schwierig einzustufen, die Angaben widersprechen sich in Teilen.

Anbei eine Übersicht über einige Orte in Schleswig-Holstein:

Alliierte Besetzung und Einstellung des Postverkehrs 1945

Ort Datum der Besetzung Einstellung des Postverkehrs Postverkehr direkt nach der Besetzung
Bad Oldesloe 02.05.1945 02.05.1945 nicht möglich
Elmshorn 07.05.1945 03.05.1945 nicht möglich
Flensburg 10.05.1945 14.05.1945 bekannt
Heide (Holst.) 08.05.1945 11.05.1945 möglich
Heiligenhafen 04.05.1945 10.05.1945 möglich
Husum 05.05.1945 23.05.1945 bekannt
Kiel 05.05.1945 05.05.1945 nicht möglich
Lübeck 02.05.1945 02.05.1945 nicht möglich
Neumünster 03.05.1945 29.05.1945 bekannt
Pinneberg 04.05.1945 04.05.1945 nicht möglich
Plön 04.05.1945 04.05.1945 nicht möglich
Ratzeburg 02.05.1945 02.05.1945 nicht möglich
Rendsburg 05.05.1945 16.05.1945 bekannt
Schleswig 06.05.1945 16.05.1945 bekannt

Erst mit der Einrichtung der Provinzpost Schleswig-Holstein Ende Mai 1945 gab es wieder einheitliche Anweisungen für den Postverkehr, die damals von der Reichspostdirektion (RDP) Kiel erlassen worden sind. Diese Bestimmungen waren in Schleswig-Holstein identisch, obwohl der Einfluss der lokalen Militärverwaltungen auf Kreisebene noch groß war.

Am 23. Mai 1945 verfügte die RDP Kiel dass mehrere Kurierlinien eingerichtet werden sollten. Ein Postaustausch sollte in den Ortschaften stattfinden, in denen sich diese Kurierlinien schnitten. Auf Anweisung der britischen Militärverwaltung musste die Verfügung im Nachgang noch an entsprechende Vorgaben der Besatzungsmacht angepasst werden.

Folgende Kurierlinien wurden damals eingerichtet:

Linie 1: Niebüll-Flensburg-Schleswig
Linie 2: Husum-Schleswig
Linie 3: Kiel-Rendsburg-Schleswig
Linie 4: Heide-Rendsburg
Linie 5: Eckernförde-Kiel
Linie 6: Pinneberg-Itzehoe-Neumünster
Linie 7: Bad Oldesloe-Bad Segeberg-Neumünster-Kiel
Linie 8: Lübeck-Eutin
Linie 9: Eutin-Plön-Kiel

Ziel war die Beförderung der Behördensendungen zwischen den Kreisstädten in der Provinz Schleswig-Holstein und dem Sitz der Regierung in Schleswig.

Durch Vermittlung der örtlichen Gemeindevorsteher und mit einer Genehmigung durch die örtliche Militärverwaltung war die Teilnahme an der Provinzpost möglich.

Gewöhnliche Briefsendungen ohne Gewichtsbeschränkung konnten somit zwischen Behörden aller Art, lebenswichtigen Versorgungsbetrieben (Gas, Wasser, Strom), Krankenhäusern, Ärzten usw. befördert werden.

Die Briefsendungen der Provinzpost trugen nur den Tagesstempel, Freimachungsvermerke wurden nicht vorgenommen.

Eine Besonderheit dieser Zeit war, dass alle Sendungen der Zensur unterlagen und somit nicht beim Postamt einzuliefern waren, sondern an die jeweilige Militärverwaltung der Kreisstadt. Von dort aus sollte die Post nach Kiel befördert, dort zensiert und dann an die Militärverwaltung des Bestimmungsortes transportiert werden. Ein Postaustausch zwischen den einzelnen Kreispostämtern war verboten, das jeweils eingesetzte Personal musste eine entsprechende Verpflichtungserklärung unterschreiben.

Der Empfänger musste dann die Postsendung bei der Militärverwaltung abholen, eine Zustellung, wie diese heute selbstverständlich ist, erfolgte damals nicht.

Die damaligen Landkreise Süderdithmarschen, Oldenburg (Holstein), Herzogtum Lauenburg sowie Eiderstedt waren nicht an der Provinzpost angeschlossen. Ob die genannten Landkreise trotzdem am Postverkehr teilnehmen konnten, geht aus den Quellen nicht eindeutig hervor. Der Landkreis Herzogtum Lauenburg hatte diese Möglichkeit nicht.

Für die Beförderung musste der Absender keine Kosten übernehmen, diese musste die Zivilverwaltung tragen.

Die Finanzierung der Betriebkosten der Provinzpost wurde durch den Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein sichergestellt. Für den Zeitraum vom 24. Mai bis zum 24. Juni 1945 wurden insgesamt 13.977 Reichsmark verzeichnet.

Am 24. Juni 1945 wurde die Provinzpost eingestellt.

Für private Personen wurde der Postdienst wieder ab dem 14. Juni 1945 ermöglicht. Zuerst konnten Postkarten, dann Briefe und später wurden Päckchen zugelassen. Ab dem 30. Oktober 1945 wurde der Postdienst in alle vier Besatzungszonen ausgedehnt.

Damals üblicher Postkartenvordruck in englischer und deutscher Sprache, abgestempelt am 22. Juni 1945 in Lübeck

 

Postkarteninhalt, der bezogen auf die heutige Zeit seitens des letzten Satzes verständlich wirkt

 

Anbei einige Beispiele für die lokale Wiederaufnahme des Postverkehrs

Die Stadt Kiel wurde stark zerstört, dies betraf auch Einrichtungen und Amtsstellen der Post. Erste britische Truppen erreichten am 5. Mai 1945 Kiel. In den Quellen gibt es verschiedene Angaben über die Einstellung des Postverkehrs.

Der Postverkehr in Kiel ist bereits ab dem 24. Mai 1945 wieder aufgenommen worden, jedoch nur für Behörden und lebenswichtige Betriebe.
Ende Juli 1945 haben sich ca. 40.000 Pakete angesammelt. Da Pakete mit verderblichem Inhalt vorhanden waren, wurde durch die britische Militärregierung genehmigt, dass innerhalb der britischen Besatzungszone die Pakete an Empfänger oder Absender zugestellt bzw. zurückgegeben werden durften. Pakete, die nach der genannten Bedingung nicht bearbeitet werden konnten, wurden geöffnet. Dabei wurden Bekleidungsgegenstände, Wäsche, Schuhe und ähnliche Artikel dem Roten Kreuz übergeben, Wertgegenstände wie Uhren, Geld und Schmuck wurden von den Briten beschlagnahmt, Lebensmittel oder unbrauchbare Gegenstände wurden vernichtet.

Das Postamt in Heide (Holstein) wurde im Gegensatz zu den Posteinrichtungen in Kiel weder beschädigt noch zerstört. Unterlagen und Aufzeichnungen aus früherer Zeit sind während der Besatzung verlorengegangen, so dass nicht alles rekonstruiert werden konnte. Am 11. Mai 1945 wurde der gesamte Post-, Telegrafen-, Funk- und Rundfunkdienst auf Anordnung der britischen Militärregierung eingestellt. Alle beim Postamt lagernden Briefsendungen wurden beschlagnahmt. Ab dem 14. Juni 1945 nahm die Post einen kleinen Teil des Postbetriebes wieder auf. Die Versendung von Postkarten innerhalb der Provinz und nach den von den britischen Einheiten besetzten Teilen Mecklenburgs war nun wieder möglich. Die Gebühren müssen in bar entrichtet werden. Ab dem 1. März 1946 wurde der Paketdienst innerhalb der britischen Besatzungszone wieder aufgenommen.

Der Sitz der Kreisverwaltung in Pinneberg wurde am 4. Mai 1945 durch britische Truppen besetzt, die gegen 11 Uhr in den Stadtkern einrückten. Zuvor ist bereits gegen 09:00 Uhr der Postbetrieb eingestellt worden. Zwischen dem 17. und dem 22. Mai 1945 wurde der Postschalter testweise wieder geöffnet. Die Art und Weise des Postverkehrs, der Frankierung sowie der Zensur ist in den Quellen nicht vermerkt. Ab dem 25. Mai 1945 nahm Pinneberg an der Provinzpost Schleswig-Holstein teil. Die Kreispost innerhalb des Landkreises Pinneberg wurde ab dem 12. Juni 1945 aufgenommen, betrieben wurde diese durch das Postamt Pinneberg. Unter der Kreispost ist ein Kurierdienst für die offene Behördenpost und Post von lebenswichtigen Betrieben zu verstehen.

 


Die Briefmarkensammler des Vereins für Postwertzeichensammler von 1894 Metropolregion Hamburg e.V. (VPS 1894), dessen Mitglieder einst deutschlandweit beheimatet waren, der sich heute auf Norddeutschland beschränkt und seinen Schwerpunkt in Hamburg, neben einer aktiven Gruppe in Mecklenburg hat. Die Sammler treffen sich zurzeit regelmäßig im Restaurant Hellas (Riekbornweg 16, 22457 Hamburg) und in Neustadt-Glewe, weitere Details finden Sie unter www.vps-1894.de.

Briefmarkensammeln oder auch Philatelie beschäftigt sich nicht nur mit dem systematischen Sammeln von Briefmarken und Belegen. Hierbei kann viel über das die Briefmarke herausgebende Land oder das Motiv in Erfahrung gebracht werden. Neben der künstlerischen Darstellung hält der Sammler auch immer ein Stück Geschichte in der Hand. Einerseits kann dies ein Motiv zu einem historischen Ereignis sein oder ein Beleg, der eine Geschichte erzählen kann. Insbesondere in schwierigen wirtschaftlichen und persönlichen Zeiten, wie z.B. nach dem Ende des II. Weltkriegs, können Belege viel über die Situation erzählen, durch besondere Stempel, Notmaßnahmen oder einfach nur durch einen Verweis des Postboten, dass die Sendung nicht zugestellt werden konnte, da z.B. ein Straßenzug in Berlin nicht mehr existierte. Entdecken Sie mit uns ein Stück Geschichte und besuchen Sie uns gerne in Halstenbek. Auch freuen wir uns über Belege und Material aus dieser aus philatelistischer Sicht sehr interessanten Zeit.

 

Daniel Piasecki, Klaus-Dieter Rosenberg